Das Gesetz des Blutes: Von der NS-Weltanschauung zum Vernichtungskrieg by Chapoutot Johann

Das Gesetz des Blutes: Von der NS-Weltanschauung zum Vernichtungskrieg by Chapoutot Johann

Autor:Chapoutot, Johann [Chapoutot, Johann]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Politik & Geschichte, Epochen, Faschismus, Fachbücher, Geschichtswissenschaft, Neuzeit, Zweiter Weltkrieg, Das Dritte Reich
ISBN: 9783805349925
Herausgeber: WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Hitler setzt hier ein schwer zu widerlegendes dialektisches Mittel ein: Ein schlechtes Gewissen muss nur derjenige haben, der es ausspricht und kultiviert. Einmal mehr wird in aller Klarheit gesagt, dass Mitgefühl und Mitleid sich nur auf das einzige wertvolle Volk beziehen können, das deutsche Volk. Die anderen, die Fremdvölker, verdienen diese Rücksicht nicht, schon gar nicht diejenigen, die mitleidlos Deutschland und sein Volk bekämpfen. Das Niederbrennen eines Dorfes und die Ermordung seiner Bevölkerung ist kein Verbrechen, sondern eine militärpolizeiliche Operation, mit deren Hilfe entweder ein Partisanennest ausgehoben wird oder die lokale Bevölkerung durch Abschreckung von feindlichen Handlungen abgehalten wird, was die Lage der deutschen Truppen erleichtert. Wehrlose Zivilpersonen ermorden ist kein Verbrechen. Davor zurückschrecken ist eines.

Auch wenn das alles schon in den Anweisungen von Dezember 1941 enthalten ist, muss offenbar erneut betont werden, dass solche Handlungen richtig und gerecht sind, sofern sie der Sache der deutschen Truppen und deren Sicherheit dienen. Auch wenn das anders erscheinen mag, so ist nichts daran tadelnswert oder gar strafwürdig. Punkt 2 dieses Befehls bekräftigt: „Kein in der Bandenbekämpfung eingesetzter Deutscher darf wegen seines Verhaltens im Kampf gegen die Banden und ihre Mitläufer zur Rechenschaft gezogen werden“.447

Die blinde Repression der Zivilbevölkerung wird unter dem Aspekt der Sippenhaftung betrachtet und formuliert. Diese liefert ihr die biologische Rechtfertigung. Das Blut des „Partisanen“ und „Terroristen“ ist verdorben, also schuldig. Es muss in seiner Eigenschaft als biologisches Prinzip vernichtet werden. Das erläutert in einem Befehl vom 28. Juni 1944 der HSSPF Ost, Wilhelm Koppe. Die Einleitung entspricht durchaus dem Üblichen: „Die Sicherheitslage hat sich in den letzten Monaten im Generalgouvernement derart verschlechtert, daß nunmehr mit radikalsten Mitteln und allerschärfsten Maßnahmen gegen fremdvölkische Attentäter und Saboteure durchgegriffen werden muß.“448 Doch dann stipuliert der von Koppe erlassene Befehl, dass „nicht nur die gefaßten Täter erschossen werden, sondern daß darüber hinaus die sämtlichen Männer der Sippe gleichfalls zu exekutieren und die dazugehörigen weiblichen Angehörigen über 16 Jahre in ein Konzentrationslager einzuweisen sind“449.

Diese Anordnungen von konsequent biologistischer Argumentationslogik gehen streng mit dem schlimmsten Feind des deutschen Soldaten ins Gericht, nämlich mit ihm selbst, seiner Güte, seiner Gutmütigkeit, seiner Naivität: „Bei der Behandlung der Banditen und ihrer freiwilligen Helfer ist äußerste Härte geboten. Sentimentale Rücksichten sind in dieser entscheidenden Frage unverantwortlich.“450 Die Offiziere haben Sorge dafür zu tragen, dass ihre Leute nicht von Mitleid übermannt werden: „Jeder Führer einer Abteilung ist dafür verantwortlich, daß gefangene Banditen und Zivilisten, die beim aktiven Kampf angetroffen werden (auch Frauen), erschossen oder besser erhängt werden.“451

Seine unverbesserliche Gefühlsduselei, seine angeborene Neigung zu lieben und zu helfen, lassen den deutschen Soldaten leicht zum Opfer der Hinterlist des Feindes werden. Der Landser, wie der Germane im Allgemeinen, ist verwundbar, weil er zu gut ist. Deshalb werden Befehle erlassen, die ihn ausdrücklich vor den Teilen der Bevölkerung warnen, die ihn in Rührung versetzen und ihm Schaden zufügen können, insbesondere Frauen und Kinder. So unterzeichnet General von Roques am 13. Januar 1942 einen Befehl an alle Truppen im Heeresgebiet Süd, um sie vor dem Einsatz von Jugendlichen durch die Russen zu warnen. Diese könnten leicht das Vertrauen von Wehrmachtsangehörigen erobern und so als Spione fungieren.



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